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ilona lenk - via crucis

19. februar bis 13. märz 2005
eröffnung: 18. februar 2005, 17.30 uhr

zur fastenzeit zeigt die katholische kirchengemeinde st.paul, esslingen, unter dem titel „VIA CRUCIS“ bilder von ilona lenk.
es handelt sich um einen vierzehnteiligen kreuzweg und die siebenteilige arbeit:„die sieben letzten worte jesu am kreuz“.

die künstlerin wendet für ihre bilder eine besondere technik an: über holzrahmen verschiedener grundform spannt sie grobe leinwand, formt diese zu falten und wellen und bemalt sie mit farbe. der kreuzweg hat obendrein eine struktur aus salz. die für st.paul erstellten arbeiten sind rein weiß. sie gehören zur werkreihe „was tut der mensch dem menschen an“. der leidensweg jesu als symbol für die grausamkeit des menschen.für eine frühere fassung der „sieben letzten worte“ erhielt ilona lenk beim kunstpreis der diözese rottenburg – stuttgart einen zweiten preis.

die künstlerin ist gebürtige stuttgarterin; sie lebt in schwäbisch hall und berlin.

der komponist valerio repetti pizzorno schrieb für die ermordeten kinder in beslan „ninna nanna“, ein wiegenlied für computer, gitarre, altsaxophon und tenorsaxophon. es wird zur eröffnung uraufgeführt.

eröffnung der ausstellung: freitag, 18. februar 2005, 17.30 uhr
ort: münster st. paul, esslingen a. n.
dauer: 19. februar bis 13. märz 2005
öffnungszeiten: täglich von 9.00 bis 19 uhr,
außer während der gottesdienste

 
 

laudatio ilona lenk
zum 18. februar 2005

liebe frau ilona lenk,
liebe familie lenk, , liebe gäste zur

eröffnung der ausstellung „via crucis“ zu der zeit, als der „arbeitskreis kirche und kunst“ beriet, eine weitere ausstellung im münster zu machen, besuchte ich zufällig die kunstausstellung „drei generationen“ in stuttgart. die drei generationen sind
großvater lenk, vater lenk und tochter lenk. die werke des großvaters lenk gefielen mir, die werke des vaters lenk kenne und schätze ich seit langem, die werke der tochter lenk berührten mich.
als ich spontan auf die künstlerin zuging und sie fragte, ob sie bereit wäre, im münster st. paul einen anlaß des kirchenjahres in ihrer art zu gestalten, da geschah etwas, was wir vom arbeitskreis schon mehrmals erlebt hatten:
es kam ein leuchten in die augen der künstlerin, ein strahlen ging über ihr gesicht: „in einer kirche und in einer solchen kirche?
es stellte sich heraus, daß ilona lenk sich schon länger mit biblischen themen auseinandergesetzt hatte.
die „sieben letzten worte“ hatte sie bereits in ihrer eigenen bildsprache dargestellt. „ecce homo“ - hier nicht ausgestellt - ist eine weitere arbeit aus der leidensgeschichte jesu.
diese darzustellen ist seit etwa 2001, seit ihrem romaufenthalt, ein anliegen der künstlerin. es ist ihr aufschrei gegen folter und grausamkeit: „was tut der mensch dem menschen an“ lautet das thema einer ganzen werkreihe.
der vierzehnteilige kreuzweg ist die dritte und jüngste arbeit daraus.
meine damen und herren, sie haben auf der einladung gelesen:
bilder von ilona lenk. sie haben sich wohl gewundert über die bilder, die sie hier vorgefunden haben. bilder, die sie wohl eher als skulpturen oder reliefs bezeichnen würden, die ganze reihe als eine installation.

frau lenk sagt, es sind bilder:
sie bestehen, wie es bei bildern üblich ist, aus holzrahmen, leinwand und farbe. dieser holzrahmen ist unsichtbar, gibt dem bildkörper form und halt. die form kann die eines quaders sein wie in den sieben worten, die form eines würfels wie in via crucis, oder die form einer welle wie in ecce homo.
über diese rahmen spannt sich die leinwand oder ein anderer textiler stoff. der stoff wird in falten gelegt und dann bemalt. der stoff ist also nicht bloßer bildgrund. er ist sozusagen das bild selbst. seine falten bilden eine struktur. licht fällt darauf, schatten bilden sich, eine zeichnung entsteht.
die falten überwinden die zweidimensionale ebene; sie dringen ein wenig in den raum vor. dadurch sind die arbeiten ein zwischenstadium zwischen zweidimensionalem bild und dreidimensionalem relief: ilona lenk wagt eine künstlerische gratwanderung.
in falten steckt vieles: die sprache verrät es schon: vielfalt, einfalt, mannigfaltigkeit. aus der gesteinsfaltung liest man die erdgeschichte, aus den falten der mimik lebensgeschichten.
seit je hat das malen oder formen von faltenwürfen die künstler gereizt. in vorgotischer zeit konnte der betrachter gar konkretes aus falten erlesen: aus dem schwung oder dem fallen der gewandzipfel zum beispiel, ob jesus gerade spricht oder schweigt. wenn falten ein t bildeten, so stand das für trinitas.
streng sind die lendentuchfalten am spätgotischen kreuz in unserer kirche, königlich üppig die gewandfalten bei der (später) gekrönten madonna.
vor wenigen tagen entdeckte ich in der kunsthalle mannheim ein werk von franz lenk, ilonas großvater. es heißt „die gelbe tüte“. diese tüte zeigt ein paar gebrauchsfalten, delikatest gemalt – einfach schön. auch die faltenbilder der frau lenk sind von großer schönheit, aber sie sind nicht nur aesthetik. sie setzt die falte als ausdrucksmittel ein. sie schrieb mir: „die falten können zu einer aussage verhelfen“. beim kreuzweg sind es die römischen ziffern, die uns 2000 jahre zurückführen oder uns alte kreuzwegstationen vorstellen lassen. bei den letzten worten ist es das immerdichterwerden und das wiederabebben der faltung, das zur aussage verhilft.
frau lenk erklärt: „die 7 letzten worte haben eine beeindruckende dramaturgie der vierte aufschrei. auf dem scheitelpunkt des leidens fragt der sohn den vater, warum er ihn verlassen habe, um sich hernach in einer sanften abwärtskurve in sein schicksal zu begeben: in die ewigkeit, in gottes hände“ bei allen werken hilft erst der titel dem betrachter auf die spur, auf der er der immagination der künstlerin folgen kann.
lenks bilder sind gedacht und nicht nur gemacht. nur weil die künstlerin mit der summe ihrer erfahrungen gedacht hat, wird das nach - denken möglich. nachdenken bedeutet auch, dass wir betrachter genau so gültig auf ganz eigenes kommen können.die farben. die künstlerin beschränkt sich in ihrer gesamtarbeit auf drei farben: ein reines weiß, ein dunkles anthrazit, ein leuchtendes orange. weiß, und nur weiß verwendet ilona lenk für die biblischen themen dieser ausstellung.
im kirchlichen bereich steht weiß für, licht, erlösung, unschuld und reinheit. seit den frühesten religionen ist weiß das symbol des höchsten gottes. schreiter hat im tauffenster diese symbolik eingebracht: der weiße streifen über allem steht für die gnade, die weiße klammerform bedeutet !“den in der gnade - im licht- stehenden.“
im fenster der sieben schmerzen mariens im nördlichen seitenschiff findet sich eine ähnliche symbolik. bei chagall sind menschen, die mit gott in kontakt stehen, oft in weiß dargestellt, so moses beim empfang der gebotstafeln. in manchen kulturen ist weiß ist aber auch die farbe der trauer und der angst. wer die weiße fahne hißt, hat oder hatte angst.
wenn man ilona lenks absicht kennt, die klage gegen folter und grausamkeit darzustellen, könnte das weiß in ihren arbeiten auch trauer und angst bedeuten. (weiß ist die mutter christi unter dem kreuz bei grünewald).
eine schöne deutung der farbe weiß habe ich bei günther ücker gefunden, der seine nagelbilder gerne weißt: „der zustand weiß“ sagt er, „kann als gebet verstanden werden“ zur weißen farbe kommt ein auftrag von salz. es gibt einen glanz. salz zeugt von spirituelle kräften: ihr seid das salz der erde. aber auch: schweiß, tränen und blut sind salzig.
der körper jesu im leid. die folteropfer der welt im leid. dieser kreuzweg also stellt einen göttlichen dar, einen unschuldigen – einen gefolterten voll angst – ein gebet - in weiß. wie sonst? viele arbeiten von ilona lenk sind serien. die serie drückt für sie das vergehen der zeit aus. einer serie entlang zu gehen, entlang zu schauen, entlang zu denken braucht zeit. auch dem kreuzweg jesu entlang zu gehen hat einen anfang und ein ende und dauert eine zeit.
jede station dieses neuzeitlichen kreuzwegs steht für einen bildstock. das bild ist verschwunden, der sockel steht noch. die ziffer schmuck und aussage in einem.
in jeder katholischen kirche gibt es einen kreuzweg. der kreuzweg unserer kirche stammt aus dem ende des 19. jahrhunderts. die beiden darstellungsweisen zeigen eindrücklich zeitlauf und entwicklung. die 14 stationen wurden in den sechzigerjahren des letzten jahrhunderts auf einer leiste zu einem gesamtbild zusammengeschoben. es stellte sich heraus, dass den gläubigen das entlanggehenkönnen fehlte. man brauchte keine zeit, sah alles auf einen blick. außerdem fehlte die zahl: 14! zweimal die 7,die himmel und erde umfassende zahl 7!. deshalb ist der kreuzweg wieder auf seine ursprüngliche 14 – teilige form gebracht worden.

„die letzten worte jesu am kreuz“ sind sieben sätze aus allen vier evangelien, die jesus in seiner todesstunde gesprochen hat. ich kenne keine darstellung in der ikonographie. wohl aber gibt es vertonungen. ein tiefes erlebnis bei der musik von josef haydn hat ilona lenk zu ihrer darstellung von „les sept dernieres paroles“ geführt.
für eine frühere, kleinere version dieses themas erhielt frau lenk beim kunstpreis 2004“der diözese rottenburg - stuttgart „lebensspuren“ einen zweiten preis. ilona lenk lebt in berlin und schwäbisch hall.
in stuttgart wurde sie geboren. um ihre geburt rankt sich die legende, daß ihrem vater während des wartens auf den erlösenden anruf in einer gastwirtschaft die künstlerische idee zu seinen schichtungen kam: er vertrieb sich die wartezeit mit bierdeckeln. die reduktion von form und farbe, das variieren eines themas, das serielle ist es wohl, was der vater seiner tochter auf ihren künstlerischen weg mitgegeben hat.
ilona lenk lebt ein doppelleben. als bühnenbildnerin steht sie vor dem vorhang, mal hier, mal dort,
ist oft auf der reise, hat mit leuten zu tun, mit darstellern und publikum zu tun. ist diese arbeit getan, verschwindet sie sozusagen hinter den falten ihres lebens - vorhangs in die stille und einsamkeit ihres ateliers.
auch iona lenks „weltliche“ arbeiten sind kontemplativ und verlangen die vorstellungskraft des betrachters: „wüste orange wüste, oder die weiße welle. humor blitzt auf beim schwarzen wurm.

meine damen und herren,
der grundgedanke beim bau dieser bettelordenskirche war das einfache, das sichbescheiden auf das wesentliche, der verzicht auf dekoration. was immer später an schmuck hereinkam, hat die geschichte wieder weggespült. bis auf das bloße gemäuer wurde das münster entkleidet. gerade nun zeigt es seine schönheit.
altar, ambo, taufstein, die lapidaren arbeiten von ulrich rückriem, die antwort darauf im fenster von johannes schreiter, die faltung der leinwand als idee des kreuzwegs von ilona lenk, dies alles ist ein gültiges echo auf die intention der erbauer des münsters und auf dessen geschichte.
ja, und so stehen sie nun da, für ein paar wochen, die sieben letzten worte, die vierzehn stationen des leids, von vorne nach hinten zu zählen, ohne lichtstaffage, wie es die künstlerin wollte, ohne geländer und abstandsstreifen, direkt auf dem fußboden, schutzlos und ausgesetzt – und doch und trotz allem: es siegt das weiß, der glanz, die reinheit: wir sehen bilder mit österlicher hoffnung!

marie-luise völter

 

 

 

weiter informationen zur künstlerin ilona lenk:
http://www.ilona-lenk.de